Dass bereits am Ende des 14. Jahrhunderts weibliche Körper als „weicher“ beschrieben wurden als die der Männer, ist eventuell bemerkenswert, als dies so früh von einer Frau öffentlich formuliert wurde. Der wahre Clou aber liegt in der so selbstverständlich dahingeworfenen Feststellung des schärferen Verstandes von Frauen. Die aufeinander bezogene Entgegensetzung von „weich“ und „scharf“ in einer Person, und dann ausgerechnet der Frau, macht diese Aussage umso provokativer. Auch heute noch wäre dieses Verständnis von der weiblichen Zusammengehörigkeit eines weichen Körpers und eines scharfen Geistes mindestens ungewöhnlich. Die Philosophin und Literatin de Pizan radikalisierte ihre Schriften allmählich – von anfänglicher Liebeslyrik steigert sich ihre Kritik bis zu ihrem Hauptwerk Le Livre de la Cité des Dames, in dem sie männliche Misogynie und die Unterdrückung der Frauen angreift, der sie eine utopische Gesellschaft der Gleichwertigkeit von Frauen und Männern entgegenstellt.